Interview mit Cornelia Rémi
Tutorenausbilderin bei TutorPlus
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TutorPlus ist ein multiplikatives Qualifikationsprogramm für Dozierende aller Fachbereiche der LMU München, die ausgebildet werden, Tutorinnen und Tutoren für spezifische Lehraufgaben zu qualifizieren. |
1) Wie war die Situation von Tutorinnen und Tutoren an Ihrem Institut/Ihrer Fakultät vor Ihrer Tutorenausbildung? (Zahlen, Daten, Fakten)
Eine vielfältige Tutorienkultur gab es an unserer Fakultät auch schon vor TutorPlus, aber durch die strukturierte Tutorenschulung im Rahmen dieses Programms ist diese Kultur sichtbarer, der fakultätsweite Austausch über die Tutorien offener und transparenter geworden. Vor dem offiziellen Start des Projektes TutorPlus hatte ich mich Anfang 2012 an den einzelnen Instituten meiner Fakultät (Sprach- und Literaturwissenschaften) nach der Situation der Tutoren dort erkundigt. Dabei ergab sich das Bild eines bunten Flickenteppichs – entsprechend der Vielfalt der Fachkulturen an den Instituten.
In etlichen Fächern galten Tutorien bereits als bewährter Bausteine im Lehrangebot gerade in der Studieneingangsphase: Studentische Tutoren begleiteten gezielt einzelne Lehrveranstaltungen und boten einen Rahmen, um deren Inhalte nachzubesprechen, im gemeinsamen Gespräch zu klären und durch intensives Üben zu vertiefen. Zugleich galt die Arbeit als Tutor als Qualifikations- und Bewährungsmöglichkeit für besonders begabte Studierende, die sich damit ihre ersten Meriten in der akademischen Lehre erwerben konnten. So betrachteten etwa die Komparatisten eine Tätigkeit als Tutor als fakultativen Teil der Ausbildung ihrer Masterstudierenden, und am Institut für Deutsche Philologie hatte sich in Form der sogenannten ‚Projekttutorien‘ ein Sonderformat von Tutorien etabliert, um studentische Arbeitsgemeinschaften zu fördern, die sich unabhängig vom laufenden Lehrangebot mit bestimmten Themen wissenschaftlich auseinandersetzten wollten.
Getragen wurde diese Tutorienkultur in den Sprach- und Literaturwissenschaften wesentlich vom Engagement einzelner Gruppen von Studierenden (vor allem aus den Fachschaften) und einzelner Kollegen, welche die Tutoren in ihre Aufgaben einführten, sie fachlich und didaktisch begleiteten und als Ansprechpartner fungierten. In Fachbereichen, denen solche Fokusfiguren fehlten, herrschte oft eine merkliche Verunsicherung bei den Tutoren, die nicht wussten, welche Rolle sie nun eigentlich ausfüllen und wie genau sie ihr Aufgabenspektrum verstehen sollten. Diese Ungewissheit und eine oft völlig fehlende didaktische Vorbereitung erlebten die betroffenen Tutoren als große Belastung. Eine strukturierte didaktische Einweisung war kaum üblich; in der Regel vertraute man an den Instituten auf die Eigeninitiative der Tutoren, sich nötige Basiskompetenzen eigenständig anzueignen.
Hinzu kam ein weiterer struktureller Unsicherheitsfaktor: Die Tutorienkultur an der Fakultät hatte sich nicht zuletzt dank der Finanzierung durch Studiengebühren entwickelt. Mit dem Wegfall der Studiengebühren drohten nun etliche, gerade auch innovative Tutorienangebote wieder zu verschwinden.
2) Welche Veränderungen stellen Sie nach der Schulung von Tutorinnen und Tutoren an Ihrem Institut/Ihrer Fakultät fest?
Ich erlebe die Tutorinnen und Tutoren, die von TutorPlus-Ausbildern geschult worden sind, als sehr viel unbeschwerter im Austausch untereinander, als ich es aus der Zeit vor TutorPlus in Erinnerung habe. Sie empfinden es nicht als problematisch oder womöglich sogar peinlich, Fragen zur Lehre aufzuwerfen und offen miteinander zu diskutieren. Die akademische Lehre verliert dadurch ihren Nimbus des unnahbaren Heiligtums, der geheimnisvollen Blackbox, die keinen Blick hinter die Kulissen erlaubt: Lehre lässt sich lernen, Lehre lässt sich besprechen, kritisieren und verbessern.
Da sich die Tutoren bereits während ihres Trainings intensiv miteinander verständigen und diesen Kontakt bei ihren gegenseitigen Hospitationen vertiefen, sind die von uns geschulten Tutoren von Beginn an besser vernetzt und sichern durch diesen lebendigen Austausch die Qualität der Tutorien an unserer Fakultät ganz entscheidend mit. Das zeigt sich etwa darin, dass etliche TutorPlus-Tutoren sich zugleich auch in den Fachschaften ihrer Institute engagieren. Als besonderer Leuchtturm dieser Diskussionskultur erweist sich zunehmend unser Schreibzentrum, in dem wir vorhandene Initiativen zur Schreibförderung an den einzelnen Instituten bündeln und studentischen Tutoren die Chance bieten, eigenständig Workshops zu verschiedenen Schreibthemen zu entwickeln und durchzuführen.
3) Warum haben Sie sich für die Teilnahme an TutorPlus entschieden?
Nach einigen Jahren akademischer Lehrerfahrung fühlte ich mich in der Gestaltung meiner Lehre so sicher und gefestigt, dass mir diese Sicherheit schon wieder etwas unbehaglich wurde. Ich wollte mich nicht zu sicher fühlen, sondern mich ständig weiter herausfordern, um meine Lehrideen parallel zu meinen Forschungsideen weiterzuentwickeln. Lehre sollte für mich nie zur lästigen Pflicht und Routine werden, sondern ein geistiges Abenteuer bleiben, das mich immer wieder zum Nach- und Umdenken inspiriert. Entscheidende Impulse dafür habe ich bei TutorPlus gesucht und gefunden.
4) Was ist Ihr persönlicher Gewinn durch die TutorPlus-Ausbildung?
Dank der Train-the-Trainer-Ausbildung von TutorPlus habe ich mich ein Jahr lang so intensiv und lebendig wie noch nie zuvor mit meiner eigenen Lehre, mit ihren theoretischen Fundamenten und mit meinen Eigenheiten als Dozentin auseinandergesetzt. Das hat mein Selbstverständnis als Lehrende dauerhaft geprägt. Ich habe es als ungeheuer motivierend und anspornend erlebt, dass meinen Gedanken zur Lehre so viel freudiges Interesse, so viel Neugier und kritische Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde – sowohl seitens des engagierten Betreuerstabes von TutorPlus als auch seitens der anderen Tutorenausbilder meines Jahrgangs.
Die Kombination aus Theorie-Inputs, praktischer Umsetzung und akribischer Reflexion meiner neu konzipierten Tutorenschulung in allen ihren Entstehungsstadien, hat sich deshalb als fruchtbar auch für alle anderen Bereiche meiner Lehre erwiesen. Ich habe an Mut und Selbstvertrauen gewonnen und die Gewissheit gefunden, dass ich auch mit Ungewissheiten produktiv umgehen kann, dass ich geistige Risiken brauche, um andere zum eigenen Denken inspirieren zu können.
Das Trainingsprogramm, das ich im Rahmen von TutorPlus konzipiert habe, verändere und aktualisiere ich immer wieder und nutze es dabei auch als Experimentallabor und Spielwiese, um im Gespräch mit den Tutoren auch gewagtere und riskantere Lehrideen schon einmal anzutesten. Daraus sind inzwischen spannende neue Konzepte für andere Lehrveranstaltungen entstanden – darunter eine Generalerneuerung meines Einführungsseminars, ein schreiblastiges Hauptseminar,s mit besonderem Gewicht auf studentischer Forschung und eine ganze Reihe von Workshopeinheiten für unser Schreibzentrum.
5) Welche Nebeneffekte stellen Sie durch die TutorPlus-Ausbildung innerhalb der Lehrkultur Ihres Institutes/Ihrer Fakultät fest?
Da an meiner Fakultät mittlerweile etliche Kollegin die TutorPlus-Ausbildung durchlaufen haben, ist eine engagierte Gruppe von Tutorentrainern entstanden, die sich auch weit über den Rahmen ihrer Schulungsangebote hinaus als Multiplikatoren für gute Lehre engagieren. Auch hier möchte ich besonders auf das Schreibzentrum verweisen, an dem studentische Schreibtutoren und Tutorentrainer gemeinsam ein attraktives Angebot an Workshops entwickeln und sich auf Augenhöhe über ihre Lehre verständigen. Ein transparenter, von kritischer Neugier, Lernfreude und Begeisterung geprägter Austausch über die akademische Lehre wächst deshalb zunehmend sichtbar in eine größere Hochschulöffentlichkeit hinein – sowohl auf der Ebene der Tutorentrainer aus dem Mittelbau als auch direkt von den studentischen Tutoren her.